16. Januar 2023
Das deutsche Bundesministerium der Justiz hat heute Eckpunkte zur Einführung von Commercial Courts veröffentlicht („Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz zur Stärkung der Gerichte in Wirtschaftsstreitigkeiten und zur Einführung von Commercial Courts“; Volltext, kurz: „Eckpunkte“). Danach sollen vor allem Verfahren in Handelsstreitigkeiten künftig deutschlandweit vollständig in englischer Sprache geführt werden können.
Zwar gibt es schon in verschiedenen deutschen Ländern bereits Modellprojekte beziehungsweise englischsprachige Handelskammern (etwa die englischsprachigen Zivilkammern an Landgerichten in Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Hessen oder Baden-Württemberg). Bundeseinheitliche Initiativen sind bislang aber immer im Sande verlaufen. Mit den nun vorgeschlagenen Maßnahmen beabsichtigt das Bundesjustizministerium nun erneut, die Einrichtung von Commercial Corts in ganz Deutschland auf eine einheitliche Grundlage zu stellen.
In den nun vorgelegten Eckpunkten wurden die folgenden wesentlichen Maßnahmen vorgeschlagen:
- Die deutschen Länder sollen vorsehen können, dass bestimmte Handelsstreitigkeiten an ausgewählten Landgerichten vollständig in englischer Sprache geführt werden können. Die Parteien müssten sich dazu über die Verfahrenssprache Englisch einig sein und es müsste für die Wahl dieser Sprache einen sachlichen Grund geben. Berufungen und Beschwerden sollen nach den Eckpunkten dann auch – bei speziell eingerichteten Senaten an den Oberlandesgerichten – vollständig in englischer Sprache behandelt werden können.
- Die Länder sollen für große Handelssachen erstinstanzliche Spezialsenate bei ihren Oberlandesgerichten einrichten dürfen („Commercial Courts“). Soweit der Streitwert eines Rechtsstreits eine bestimmte Schwelle, etwa von einer Million Euro, erreicht oder überschreitet, soll die direkte Anrufung des Commercial Courts möglich sein, wenn alle Parteien einverstanden sind. Damit könne die Ebene des Landgerichts übersprungen werden. Für die Verfahren vor den Commercial Courts solle zudem die Möglichkeit der Erstellung eines Wortprotokolls eröffnet werden, wie es bereits aus der Schiedsgerichtsbarkeit bekannt ist.
- Gegen eine Entscheidung der Commercial Courts soll die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) eröffnet sein. Wenn das Verfahren vor einem Commercial Court in englischer Sprache geführt wurde, soll eine umfassende Verfahrensführung in englischer Sprache – im Einvernehmen mit dem zuständigen Senat des BGH – auch in der Revision möglich sein.
- Geschäftsgeheimnisse sollen künftig umfassender als bislang im Zivilprozess geschützt werden. Dazu sollen die Verfahrensregelungen nach dem Geschäftsgeheimnisschutzgesetz auf den gesamten Zivilprozess ausgeweitet werden. Bislang könnten die Gerichte die Öffentlichkeit für die Verhandlung (oder für einen Teil davon) ausschließen, wenn ein wichtiges Geschäftsgeheimnis zur Sprache kommt. Künftig solle der Schutz von Geschäftsgeheimnissen bereits auf den Zeitpunkt der Klageerhebung vorverlegt werden. Die als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Informationen sollen außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nicht genutzt oder offengelegt werden dürfen.
Bei den Eckpunkten handelt es sich um eine unverbindliche Diskussionsgrundlage. Es bleibt abzuwarten, ob sich aus den Vorschlägen nun konkrete Gesetzesvorhaben ergeben.
Prinzipiell wäre eine deutschlandweit einheitliche Einrichtung von Commercial Courts zu begrüßen. Insbesondere exportorientierte Unternehmen könnten enorm davon profitieren, wenn die Gerichtsverfahren in derselben Sprache geführt werden, wie die zugrundeliegenden Handelsgeschäfte. Voraussetzung wäre allerdings stets, dass ein etwaiges Urteil im Land des jeweiligen Handelspartners auch vollstreckbar ist. So wären Urteile eines deutschen Commercial Courts etwa in China, einem der wichtigsten Länder in den deutschen Außenhandelsbeziehungen, nicht durchsetzbar, weil Urteile des jeweils anderen Landes bis heute nicht gegenseitig anerkannt werden.
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